Würde entsteht nicht von selbst.
Sie braucht Räume, die wahrnehmen, halten, antworten.
Dieser Text beschreibt
einen Abschied,
in dem alles geregelt war –
und doch etwas fehlte.
Er steht in Beziehung zu meinem Essay
„Common Space – Über einen Raum, der sich nicht machen lässt“.
Was der Raum nicht hielt
Wir kamen etwas früher an. Zu viert. Die Fahrt war lang, wir waren müde. In der Lobby des Tagungshauses setzten wir uns an einen kleinen Tisch und bestellten Tee. Wir sprachen leise, freuten uns auf die Verabschiedung. Dann ging die Tür auf.
Er kam herein. Ein kurzer Blick, der uns streifte. Dann verschwand er wieder.
Keiner von uns sagte etwas. Vielleicht, weil es zu unbedeutend schien. Vielleicht, weil man solchen Momenten selten Bedeutung gibt. Aber etwas verschob sich. Nicht sichtbar. Eher wie ein feiner Riss, den man erst bemerkt, wenn daran entlang alles bricht.
Später gingen wir in den Tagungsraum. Stehtische, Gläser. Getränke, Licht von oben.
Die Gäste standen an den Wänden entlang, wie aufgereiht. In der Mitte, an den Tischen, war niemand.
Die Begrüßung der Gäste und des Gehenden, formal, ohne Schnörkel.
„Schön, dass wir heute zusammengekommen sind und uns verabschieden können.“
Danach der bemüht wirkende Versuch, die Vita zu würdigen.
„Im Jahr, als die Costa Concordia unterging, dann der Start hier bei uns.“
Dann sprach ich. Beschrieb, was sich in Jahren gemeinsamer Arbeit angesammelt hatte.
Man hörte mir zu. Man nickte. Als ich geendet hatte, trat ich zur Seite, ging in die hintere linke Ecke des Raums.
Dann begann er zu sprechen. Er wusste, wie dieser Raum funktionierte.
Er wusste, wie Abschiede hier gehalten werden.
Seine Partnerin stand nicht bei ihm. Sie stand zwischen zwei Stehtischen,
als hätte sich für sie kein Ort ergeben.
Einmal weinte sie. Leise.
Nicht an der Stelle, an der er ihr dankte.
Niemand reagierte.
Der Vorgesetzte hörte zu. Er schätzte Ordnung. Rituale, die nicht aus dem Rahmen fielen.
Kollegen standen in kleinen Gruppen. Neue. Alte. Alte mit Erinnerungen, die sie für sich behielten.
Er dankte vielen. Er erzählte Geschichten. Er nannte Namen.
Mein Name fiel nicht.
Vielleicht nicht aus Absicht.
Nicht aus Feindseligkeit.
Er fiel einfach nicht.
Ich lehnte mich an die Wand. Unmerklich. Als müsste ich mich halten.
In mir war es ganz leer.
Ich nahm ein Glas, stellte es wieder ab.
Das Wasser war lauwarm.
Seine Partnerin wischte sich die Tränen ab.
Sie lächelte nicht.
Sie stand da, wie jemand ohne Platz, ohne Rolle.
Der Raum blieb ruhig.
Er war funktionsfähig.
Unberührt von all dem.
Nach dem Ende verteilten sich Gespräche.
Man sprach über Termine, über Züge, über das Wetter.
Der Vorgesetzte wirkte zufrieden und etwas erleichtert.
Ich ging.
Nicht hastig.
Nicht demonstrativ.
Der Raum erwiderte nichts.